Montag, 20. April 2020

Meditation, Freude und Humanität

Ich habe mir von meiner Krankenkasse eine Meditations-App heruntergeladen. Seitdem schlummere ich regelmäßig damit ein. Ich brauche einfach einen Ruhepol in dem aktuell von Informationsflut und Existenzsorgen geprägten Alltag. Meditation an sich ist mir nichts gänzlich Fremdes, doch ich gebe zu, dass ich es nicht durchgehend in meinen Tagesablauf eingeplant hatte. Doch Selbstfürsorge ist gerade wichtiger denn je.

Wir können aktuell mitverfolgen, wie mediale Interaktion, digitales Teaching, Videokonferenzen, Online-Seminare, Live-Schaltungen und elektronisch basierte Kundenkontakte einen immensen Schub erleben. Dort, wo es möglich ist, arbeiten wir im Home Office. Wir erfinden neue Vertriebswege, stellen Produktionsabläufe um, ersinnen neue Produktsegmente und wachsen über uns hinaus. Doch so schön oder heldenhaft sich das auch anhört, so ist unser momentanes Leben doch begleitet von Unsicherheit und Zweifel. Niemend von uns, nicht mal der eine oder andere Experte unter uns, kann sagen, welche Folgen sich langfristig aus all diesen Herausforderungen ergeben.
Schon jetzt sind ganz normale Menschen an ihrem seelischen Limit angelangt. Einige von uns müssen mit Entscheidungen weiterleben, von denen sie niemals angenommen hätten, sie treffen zu müssen. Andere mobilisieren die letzten Kraftreserven, und Menschen, die sowieso schon mit Einschränkungen leben müssen, fühlen sich zunehmend isolierter. Wir müssen uns also um unser „Selbst” kümmern.
Und so habe ich mich am gestrigen Abend doch tatsächlich in eine Live-Meditation auf einem Instagram-Kanal eingeklinkt. Nach anfänglichem Zögern habe ich mich erstaunlicherweise gut darauf einlassen können, und ich kann berichten, dass die Bilder daraus noch überaus lebendig in mir weiterleben.

Worum ging es denn konkret?
Es ging um die Freude. Ich sollte mir zunächst vorstellen, Licht durch meinen Körper zu senden. Ich habe mir deshalb ganz einfach vorgestellt, eine imaginäre Sonne durch meinen Organismus rollen zu lassen, einmal ganz durch und auch noch in die entferntesten Ecken und Winkel bis hin zu den Zehenspitzen. Das hat schon mal geklappt. Supi.
Dann sollte ich ein Bild für die Freude finden. Das war nun gar nicht schwer. Ich habe mir den kleinen Seehund vorgestellt, den ich während eines Kurzurlaubs vor zwei Jahren in Zeeland im Meer und mit den Schwimmern habe herumtoben sehen. Er war so neugierig und offensichtlich beglückt von Spiel und Freude, dass er mich fast dazu verführt hätte, mit ihm hinab in die kalten Wellen zu tauchen. Ich habe mir also diesen freundlichen Gesellen vorgestellt, wie er zusammen mit der Sonne spielt. Ich habe sie wie einen Ball auf seiner Nase zum Balancieren gebracht, ihn mit ihr über die Wellen jagen und sie gemeinsam auf und ab hüpfen lassen. Ich habe die beiden einen ungestüm wirbelnden Tanz ausführen lassen, mit Purzelbäumen, verschraubten Saltos, Tauchgängen und allem, was ich mir nur vorstellen konnte. Hui, das war ganz schön turbulent.
Ich hatte danach ein Lächeln in mir, und darauf kommt es doch an. Ein Lächeln weiter. Zum Leben. Zum Durchhalten. Zum Kraft tanken.

Und wie geht es weiter?
Natürlich löst so eine kleine Meditation nicht plötzlich alle unsere Sorgen, und sie schafft auch keine konkreten Lösungen, aber sie lässt uns für einen Moment den entscheidenden Break machen, wenn wir uns zu sehr in unseren Ängsten und Kümmernissen verfangen haben. So eine kleine Pause kann uns wieder dahin zurückführen, uns daran zu erinnern, wer wir eigentlich sind. Denn wir sollen leuchten. Heller als jeder Stern. Jedes einzelne Lebewesen, egal ob Mensch, Tier oder Pflanze.
Und damit verwehre ich mich ganz ausdrücklich gegen so manche Meinung, die ich in den letzten Tagen und Wochen vernommen habe, dass wir es doch global gesehen eben hinnehmen müssten, eine große Anzahl von Leben an diese Pandemie zu opfern. „Sie wären ohnehin verstorben”, heisst es da von den einen, oder „dann ist es eben mal so” sagen Andere, oder „es gibt sowieso zuviele Menschen” …
Doch haben diese Stimmen auch daran gedacht, dass es ihre Freunde, ihre Eltern, Kinder, Ihre Bekannten oder Verwandten treffen kann? Sind sie sich darüber im Klaren, wie sie mit dem Schmerz umgehen, wie lange dieser in ihnen weiterleben kann und gegebenenfalls dann auch ihr eigenes Leben beeinträchtigt? Sind sie dafür wirklich bereit? Oder sind sie einfach nur Zyniker?

Ja, wir sind Viele. Ja, wir haben nicht genug für Alle. Ja, wir müssen global an vielen Schrauben gleichzeitig drehen, was nicht immer einfach sein wird, weil viele Prozesse ineinander verzahnt sind. Ja, dieser Virus ist ein lauter Weckruf, lauter als alles andere, weil viele von uns den Gong noch immer nicht gehört haben.
Aber: Unser alle, meine, deine und hoffentlich auch Ihre ethische Vorstellung von Humanität und Respekt jedem Lebewesen gegenüber ist hoffentlich eine andere. Denn wenn wir so denken, strafen wir auch all diejenigen mit Hohn, die ungeachtet dieser Pandemie mit großem Herzen dafür kämpfen, Menschen von überfüllten Flüchtlingsbooten zu retten, Kinder mit notwendigen Operationen zu versorgen, Ärzte in die entlegendsten Winkel der Welt zu senden, Programme gegen die Klimakrise auf die Beine zu stellen, und die nicht danach fragen, ob es möglich ist, sondern es einfach machen. Dann könnten wir uns diese ganzen Anstrengungen nämlich auch sparen. Tun wir aber nicht. Weil wir begriffen haben, dass wir anders sein können. Und wollen.

Auch ich frage mich, wozu diese Krise gut sein könnte, denn sie hat zuerst einmal gar nichts Gutes. Auch habe ich keine Vorstellung davon, wie das Leben mit Einschränkungen auf lange Strecke weitergehen wird. Aber dann gibt es das Gute vom Schlechten ja eben auch noch. Mag sein, dass wir durchaus den einen oder anderen kleinen Break benötigen, um uns neu zu erden und den Funken in uns zum (Er) Leuchten zu bringen. Und genau dazu möchte ich Sie auch einladen. Wie Sie das machen, ob mit Meditation, mit der Verbundenheit zur Natur, mit heilsamen Gesprächen oder mit Glückstänzen, ist doch eigentlich nicht wichtig. Nur tun Sie es! Leben Sie nicht einfach nur irgendwie weiter.

Passen Sie gut auf sich auf, und bleiben Sie gesund.


Herzlichst, Martina Seresse