Mittwoch, 28. Dezember 2016

Luxus





Sie werden sich sicher fragen, was ein Keks mit dem Begriff Luxus zu tun hat. Nun, zunächst einmal gar nichts, es sei denn man betrachtet Glück an sich als Luxus. Auch diesen Gedanken könnte man durchaus einer weitergehenden Betrachtung unterziehen.
Aber zurück zum Keks. Für mich persönlich startete meine gedankliche Luxusreise rund um dieses Thema im Spätsommer bei einem spontanen Besuch in einem chinesischen Restaurant. Da lag er nun vor mir, der Glückskeks nach dem Essen. Verknuspert habe ich ihn mit einer Portion Neugier, einem Löffelchen Erwartung und einer kleinen Prise Vertrauen; zugegebenermaßen aber auch mit einem Klecks Skepsis, denn schließlich denkt man, man sei doch vernünftig genug, um nicht mehr an Keksweisheiten zu glauben.
Der eingebackene Zettel weissagte: «Du wirst im Schoße des Luxus entspannen.» Punkt. Ich fand es einfach extraordinär herrlich! Endlich hat da oben mal einer hingehört! Danke. Und so habe ich den kleinen Keks und seine Botschaft zum Anlass genommen, über mich, das vergangene Jahr, meine Einstellung zum und meine Erfahrungen mit dem Begriff Luxus nachzudenken. Wenn man es genau nimmt, ist auch das schon ein Luxus, nämlich der, eine eigene Meinung zu haben. Die wenigsten leisten sich diesen.


Zuviel von einer guten Sache 
                         kann wundervoll sein! _ Mae West


Um es also auf den Punkt zu bringen: Ich fand, es ist jetzt definitiv an der Zeit, meinem Leben einen gewissen Anteil Luxus einzuverleiben. Zum einen natürlich lukullisch gesehen durch das Verspeisen besagten Kekses, zum anderen durch die Erfüllung lang gehegter Träume.
Aber bevor Sie jetzt ganz entrüstet aufschreien, möchte ich eines gleich vorwegnehmen: Es geht mir dabei beileibe nicht um goldene Löffelchen oder schnittige Karosseriegestelle. Erstere interessieren mich nicht im geringsten, Letztere erfreuen zwar mein künstlerisches Auge, aber ich kann sie auch ganz unbeeindruckt an mir vorbeifahren lassen.
Also nein, ich habe vielmehr ein persönliches kleines Projekt auf die Beine gestellt. Dabei liegt das luxuriöse dieser Unternehmung noch nicht einmal im monetären Bereich, sondern in der Umsetzung einer Sache, für die mein Herz brannte.

                                   Das Notwendige braucht man
zum Überlebendas Überflüssige aber,
                          um überleben zu können. _ Dr. Carl Peter Fröhling


Doch so einfach, wie es sich liest, war es gar nicht. Ich musste dafür natürlich etwas opfern. Klar, was auch sonst.
Auch wieder so eine Sache, die mit dem Opfer. Was bedeutet «Opfer» eigentlich? In der Religion ist ein Opfer die Darbringung von verschiedenen Gegenständen oder Handlungen jeglicher Art an eine dem Menschen übergeordnete metaphysische Macht. Na gut dann.
Ich persönlich denke, das Wort Verzicht würde es wohl etwas besser umschreiben. In meinem Falle werde ich über einen längeren Zeitraum auf Notwendiges verzichten, was mir ein paar ungläubige Blicke und Reaktionen eingebracht hat, da es sich im Grunde um Dinge handelt, die in unserem europäischen Wirtschaftsraum für einen Großteil der Menschen notwendig sind, um sich das alltägliche Leben angenehm zu gestalten. Man hat oder besitzt sie einfach, obwohl sie nicht existenziell notwendig sind. Es geht aber auch ohne sie, wenngleich es mich Zeit und Bequemlichkeit kostet. Man hat also weniger und bezahlt auch noch dafür. Verrückte Welt.






Und so frage ich mich eben in diesem Zusammenhang: Machen wir den Begriff Luxus lediglich an Bedarfsgütern fest, die nicht primär dem lebensnotwendigen Unterhalt dienen oder verstehen wir Luxus, also das für uns kostbare in Verbindung mit einer Sache oder eines bestimmten Wunsches, möglicherweise als etwas, das wir lange oder gar gänzlich entbehren; freiwillig oder unfreiwillig sei zunächst einmal dahingestellt.
Gesundheit ist so ein Beispiel. Für jene, die sie entbehren müssen, ist Gesundheit Luxus, sozusagen das höchste Gut.
Oder nehmen Sie die Zeit. In unserer modernen digitalen Gesellschaft hetzen wir tagtäglich den Stunden hinterher. Überlegen Sie doch einmal, wie oft Sie sich wünschen, mehr Zeit zu haben, für sich selbst, aber auch für Andere. Welch kostbares Geschenk ist Zeit geworden!


Ich gönne mir nur einen Luxus,
                                   und dieser ist Zeit. _ Lisa Hirn


Eine andere Sache ist das Thema des Neinsagens. Oh ja! Sie haben schon ganz richtig gelesen. Ich selbst habe einmal zu einer Sache Nein gesagt und erntete prompt die Antwort: «Ja wenn Sie sich das leisten können!?» Soweit sind wir schon. Ein kleines Wort ist zum Luxusgut geworden. Hätten Sie’s gedacht?
Wenn wir schon gerade beim Neinsagen sind: Was wäre, wenn uns das Leben an sich mit einem ständigen «Nein» begegnet, wenn uns Dinge, Menschen, Begegnungen einfach nicht zufallen wollen? Wäre es dann nicht auch purer Luxus, «Ja» sagen zu können? Ja, zu einem Menschen, Ja zu einer Bitte, Ja zu sich selbst? Zugegeben, jetzt sind wir eher in der Philosophie gelandet, aber auch das gehört für mich mit zum Thema.


                               Es gibt nur einen Luxus.
Den Luxus «Nein» zu sagen. _ Rita Russek,
                                                    Schauspielerin und Regisseurin


Wie also definiert sich Luxus? Genaugenommen wird jeder Mensch diese Frage für sich persönlich und individuell beantworten müssen. Mir selbst erscheinen oft simple einfache Dinge, wenn sie sich erfüllen oder ich sie mir erfüllen darf, als etwas sehr Kostbares und damit Luxuriöses. Doch Obacht! Eine Kostbarkeit verlangt, dass wir sie zu schätzen wissen, wie einen «Schatz» eben, und nicht vergessen, dass sie ganz und gar nicht selbstverständlich ist.
Das Geben und Teilen empfinde ich als ebenso kostbar. Ist es nicht ein purer Luxus, etwas von seiner Zeit zu geben, eine Hand zu halten oder eine warme Umarmung zu verschenken? Vielleicht ist genau dies das Quäntchen Luxus, das einem anderen Menschen fehlt und wir haben es gerade im Überfluss, weil unser Herz voll und unser Kalender nicht ganz so voll ist.


Man sollte sich nicht alles leisten,
                         was man sich leisten kann. _ Klaus Herre


Das Jahr 2016 geht zu Ende. Es war ein Jahr mit Abschieden aber auch ein Jahr mit wundervollen und ganz und gar überraschenden Anfängen, ein Jahr des Gebens und Teilens. Nicht alle haben das Zuhause gefunden, auf das sie warten, nicht alle wollten teilen. Andere konnten oder durften nichts empfangen, und wir müssen uns vielleicht sogar generell fragen, wie lange wir uns noch den Luxus leisten können, im Luxus zu leben. Ich selbst habe in diesem Jahr etwas gegeben und etwas bekommen. Unterm Strich gesehen sind mir nicht nur Kostbarkeiten, sondern auch Köstlichkeiten geblieben. Womit wir wieder beim Keks wären. Und seiner Weissagung.
Daher schaue ich mit Freude auf das, was kommt. 2017 wird mein Büro für Design 20 Jahre alt. Oder jung, je nachdem wie man es betrachtet. Ich schaue zurück auf viele schöne Begegnungen, auf kreative Aufträge und Herausforderungen, genau genommen auf das runde Ganze. Ich leiste mir bewusst den Luxus, darauf stolz sein zu dürfen. Und ich sage Danke dafür. Den Menschen an meiner Seite, allen Partnern und Kunden. Danke für das Vertrauen und das «Ja». In all den Jahren.

Und für die eine oder andere kostbare Sehnsucht haben wir unsere kleine Hausbank, die ich Ihnen mit ins neue Jahr gebe. Sie dürfen sie befüllen mit dem, was Sie haben. Mit kleinen und großen Talern, mit Zeit, mit einem Ja oder einem Nein. Oder mit etwas Notwendigem, auf das Sie gerade verzichten können. Für kleine und große Wünsche. Meinetwegen auch für goldene Löffelchen.

Von Herzen, Martina Seresse

Ein harter Tag auf dem Iditarod Trail in Alaska
                   lässt einen erkennen, welch wundervoller Luxus 
                                  ganz einfache Dinge sein können.
Jil Homer _ Journalistin, Ultra Bikerin & Laufsportlerin