Freitag, 10. November 2017

Nutzen, Geringschätzen und die Frage nach der Zukunft

Vor ein paar Wochen habe ich vor Ort die von der AGD (Allianz Deutscher Designer) in Zusammenarbeit mit der Kreativwirtschaft Saar angebotene Veranstaltung „Talk am Kamin” besucht, die sich mit der Frage beschäftigte: „Wie kann ein wirkungsvolles und gut ausbalanciertes Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit entstehen, das einerseits neue Ideen begünstigt und andererseits längerfristig eine gute Existenz bietet?”.

Unsere Renten, sofern wir denn mal welche zu erwarten haben, sind mit Verlaub gesagt ein Witz, gemessen an der betrieblichen Altersversorgung eines angestellten Mitarbeiters, Geschäftsführers oder Managers. Genau genommen sind wir Kreative nämlich alles zugleich: wir managen ein kleines Unternehmen, wir sind Geschäftsführer und wir sind auch gleichzeitig unser eigener Angestellter. Glücklich schätzen kann sich, wer von uns seine Krankenversicherung über die Künstlersozialversicherung (KSK) abdecken kann, eine private Krankenversicherung ist aufgrund der hohen monatlichen Beiträge für viele Selbständige nicht finanzierbar.
Unsere ebenfalls über die KSK gezahlten Rentenbeiträge sind eher kleine Pflichtbeiträge, die eine Altersversorgung nicht im Geringsten abdecken, sofern wir nicht genug verdienen, um uns  zusätzlich privat abzusichern. Und nein, die KSK verteilt nicht am Ende des Jahres großzügig aus einem Topf an uns Kreative.
Über die eigentliche Thematik kamen wir recht schnell zur Diskussion darüber, warum wir uns als Designer oft, und dies in zunehmendem Maße, damit beschäftigen müssen, dass der „Nutzen” unserer Arbeit nicht die richtige „Wertschätzung” erfährt. Und damit meine ich nicht die Achtsamkeit gegenüber unserer gestalterischen Leistung, sondern schlicht und ergreifend die fehlende Bereitschaft, Designleistung und Nutzungsrechte in Form eines angemessenen Honorars zu vergüten, sagen wir der Einfachheit halber: die monetäre Wertschätzung.

Ganz viele von uns kreativen Selbstständigen können nicht ständig die neueste Hard- und Software einkaufen, die Rücklagen dazu sind fast nicht mehr leistbar, dagegen bemüht der feste Mitarbeiter eines Unternehmens den hauseigenen IT-Service. Und bekommt noch ein betriebliches Mobiltelefon dazu. Von Dienstwagen und anderen Zuwendungen wie einer zusätzlichen Betriebsrente möchte ich gar nicht erst reden. Ich frage mich, warum es ganz selbstverständlich scheint, neue Betriebsgebäude zu finanzieren, in Fahrzeuge zu investieren oder Geschäftsführer mit überdurchschnittlichen Gehältern zu entlohnen, mit uns Kreativen jedoch wird ständig über den Wert unserer Leistungen und die Zahlung von Nutzungsentgelten debattiert. Dabei sind wir maßgeblich daran beteiligt, die Dienstleistungen und Produkte unserer Kunden gewinnbringend zu verkaufen, indem wir die kommunikative Grundlage dazu erarbeiten.
Es erfordert schon geradezu Mut, eine erneute Rechnung zu stellen, wenn beispielsweise die ursprünglich festgelegte Nutzungszeit abgelaufen ist, aber damit nicht genug: man wird auch noch aufgefordert, sich dazu zu erklären.

Liebe Kunden und Verwerter: Wir haben diesen Beruf einmal ausgewählt, weil wir dafür brennen, weil es unsere Leidenschaft ist und weil wir es können, und das sogar verdammt gut. Aber wie oft müssen wir diese Leidenschaft jeden Tag wieder neu erfinden, weil die Bereitschaft zu verantwortlichem fairen sozialen Verhalten und Miteinander empfindlich in Schieflage geraten ist. Ich möchte keine Schwarzmalerei betreiben, aber ich möchte zu gegenseiter Toleranz gegenüber unternehmerischer Tätigkeit auffordern, sonst wird aus dem „Nutzen” ganz schnell ein „Ausnutzen”, und wie die Zukunft aussieht, können wir uns alle „ausmalen”.